Wendezeiten/Zeitenwende: Dissidenten als Zeitzeugen

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Wendezeiten/Zeitenwende im Jahr 1989/90: Dissidenten als Zeitzeugen

Ein Motto unserer Arbeit mit Jugendlichen ...
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Ein Motto unserer Arbeit mit Jugendlichen ...


Carsten Passin Zum Bildungsverständnis in der Arbeit des philoSOPHIA e.V. | philoSOPHIA e.V.


Zum Bildungsverständnis in der Arbeit des philoSOPHIA e.V.



Carsten Passin



  • Die Gebildeten haben Bildung nur verschieden interpretiert, es kömmt aber darauf an, sie gesellschaftlich zu ermöglichen.

  • Rückbesinnung auf Bildung ist not-wendiger Fortschritt. (H.v.Hentig)

  • Bildung ist Mit-Arbeit an der Verwirklichung eines bestimmten, historisch veränderlichen, ganzheitlichen Bildes vom Menschen, das jederzeit an solche Ideen wie Glück, Erfüllung, das gute Leben oder Vollkommenheit gebunden war. Sie ist von einem bestimmten humanistischen Ethos getragen, eingebunden in Traditionen, Sitte, Kultur.

  • Bildung kann nicht zerteilt werden. Sie geht aufs Ganze und hat in diesem Streben Wahrheit. Sie spricht Kopf und Bauch an, beinhaltet und geschieht in Theorie und Praxis, klärt Sinnlichkeit und Verstand, verbindet Anschauung und Begriff, die ohne einander blind bzw. leer bleiben. In ihr geht es um Wahrnehmung historischer und systematischer Zusammenhänge der menschlichen Existenz, um die Verfeinerung und Verfügbarkeit der Erkenntnis-, Erfahrungs- und Verständigungsmittel, um die philosophische Prüfung des eigenen Denkens und Handelns, die Aneignung der gewordenen Kultur und die Klärung der eigenen Rolle in ihr.

  • Zur Bildung gehört eine weitgehende Zweckfreiheit und damit auch Muße. Sie ist Selbstzweck, sie unterliegt keiner äußeren Bemessung. Sie ist ein offener und riskanter Prozeß, wie z.B. auch Demokratie.

  • In einem Bildungsprozeß wird im Unterschied zur Ausbildung nicht etwas vorrangig an einem Gegenstand gelernt oder vermittelt, um es dann in einer bestimmten ihm äußerlichen Weise benutzen oder verwerten zu können, sondern es geht um das Sich-einlassen auf etwas und die menschliche Dimension oder die Bedeutung für das Menschsein darin. Bildung ist Sinnsuche als Existenzerhellung und Selbstreflexion. Sie ist nicht spezialisiert und auf Expertentum gerichtet. Bildung beinhaltet immer Momente von Ausbildung und umgekehrt. Sie ist ernsthaft und wendet sich gegen Dilettantismus. Bildung und Ausbildung unterscheiden sich in ihrer Offenheit für Themen, Gegenstände und Gestaltungsweisen und ihre Zweckbezogenheit.

  • In Bildung geht es um die individuelle Zueignung von Kultur und damit die Befähigung, sein Leben selbst zu führen auf der Grundlage der Beurteilung von Erfahrungen aus der Kontinuität eines eigenen Bewußtseins (Adorno). Es geht um das Werden zur Person: einer, die versteht und prüft, was ein guter Mensch, ein gutes Leben und eine gute Gemeinschaft, sprich Polis ist und die das, was sie als notwendig erkennt, auch verantwortlich zu tun wagt, ohne dabei der Spannung im Gegensatz von Ideen und Wirklichkeit nach einer Seite zu entfliehen: in Zynismus oder Dogmatismus.

  • Bildung zielt darauf, wer einer ist. Ausbildung bestimmt (mit), was einer hat, was er vorstellt und speziell kann.

  • In Bildungsprozessen wird das Leben in seiner Mehrdeutigkeit nicht ausgeklammert und zurechtgestutzt nach didaktischen und moralisierenden Vorgaben. Es wird eigene Erfahrung ermöglicht und verarbeitet und nicht vorrangig auf akkumuliertes Wissen aus speziellen Gebieten abgezielt. Die Form und Gestalt, also das Bild, das ein Gegenstand hinterläßt, ist das entscheidende, nicht die Prozedur, die Dauer oder der Gegenstand selbst. Klärung der Sachen und Stärkung der Menschen (H.v.Hentig) ist ihre Arbeit.

  • Alles bildet den Menschen, aber sehr wenig, fast nichts veredelt ihn (H.v. Hentig). Bildung als bewußte, als reflexive Tätigkeit ist daher Orientierung in der Fülle der möglichen Erfahrungen von Gutem und Bösem, Einführung in die gewordenen, gemeinsamen Formen des Erkennens und Regeln des Miteinander-Auskommens, in die gewollte bzw. gewünschte res publica und die Verantwortung der einzelnen in ihr.

  • Bildung ist beides - Selbstvergewisserung und Orientierung auf die praktische Selbsterhaltung und Gestaltung der Gesellschaft, sie ist zugleich der Aufstieg aus Platons Höhle und der seiner Gefahren und Grenzen bewußte Abstieg in sie. Damit ist sie alles andere als abgehobene, vom Leben getrennte Verwahrung toter Bildungsgüter und Kulturwerte als Prestigeobjekte. Sie hält im Gegenteil diese lebendig und gibt sie weiter.

  • Alle Menschen sind der Bildung bedürftig und sie sind zu ihr auch fähig, wenn Bildung da sich ereignet, wo sie sind.

  • Bildung ist Selbst-Bildung. Sie kann von anderen begleitet, aber nicht produziert werden.

  • Bildung ermöglicht politische Urteilskraft, insofern der Mensch in ihr auch als zoon politicon verstanden wird. Sie demokratisiert, da sie beiträgt, daß sich vernünftige, selbstbewußte Menschen bilden.




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